quinta-feira, 4 de outubro de 2012

Reformatorisch-Theologisches Seminar



Fachbereich: Historische Theologie



„Und ihr werdet sein wie Gott“- Wesen und Struktur der Apotheose reformatorisch konfrontiert



Hausarbeit zu Kirchengeschichte II
bei
Dr. Martin Erdmann


vorgelegt von
Guilherme Braun Jr.

Abgabetermin: 30.09.2012
Hannover, Sommersemester 12/13



1 Einleitung


In der vorliegenden Hausarbeit wurde eine Auseinandersetzung mit dem Thema Apotheose angestrebt, die sowohl mit der Theologie der Reformatoren wie auch mit der reformatorischen Philosophie, die durch den Einfluss Abraham Kuypers, in der darauffolgenden Generation (Dooyeweerd, Vollenhoven) in Holland entwickelt worden ist. Das Thema Apotheose soll dabei strukturell kritisiert und im Licht der Offenbarung Gottes bewertet werden. Dabei bekommen Erkenntnisse aus der transzendentalen Kritik der reformatorisch-philosophischen Schule eine tragende Rolle, denn sie wagt es, die Grundprämissen der Apotheose aufzudecken und sie auf ihre transzendente Wurzel zurückzuführen. Zudem werden auch reformatorische Antworten auf die aufgedeckten Probleme präsentiert. Gewählt wurde dieser Ansatz ganz bewusst in der Intention, Apotheose auf einer integralen Art und Weise zu begegnen, und dies impliziert, dass der apologetischer Ansatz nicht nur im Sinne der formellen Epistemologie und biblischen Theologie, sondern auch der Ontologie biblisch-reformatorisch sein muss. Um Apotheose in diesem Sinne zu konfrontieren, müssen interne sowie externe Strukturen und Zusammenhänge gemäß einer radikal biblischen Theologie so wie Philosophie, d.h. von Christus her, in Kontrast zu den fundamentalen Voraussetzungen der Apotheose, untersucht werden.
Biblische Einführung zum Thema Apotheose
…und ihr werdet sein wie Gott… (1. Mos 3,5)
Man braucht bloß die ersten Seiten der Bibel zu lesen um mit Apotheose konfrontiert zu werden. Der geschaffene Mensch verstößt gegen die göttliche Ordnung, im Versuch, sich über Gott zu stellen (Apotheose). Ohne Erfolg, denn die Souveränität des Schöpfers ist unumgänglich und bleibt Lebensvoraussetzung der Schöpfung, selbst wenn Geschöpfe sich dagegen wenden. Der Ertrag des Sündenfalls ist bekannt: geistlicher Tod.
1) Bereits im Ereignis des Sündenfalls haben wir die Manifestation dessen, was Apotheose im Kern bedeutet: Die Missachtung der göttlichen Ordnung seitens des Geschöpfs und sein Streben nach Autonomie. (Abfall vom Ursprung des Lebens)
2) Folglich ist der Mensch seit dem Sündenfall zur Apotheose geneigt. Durch die verkehrte Ausrichtung seines sündigen Herzens ist seine transzendentale Richtung abtrünnig geworden. (Wurzelhafte Verderbtheit)
3) Obwohl das Geschöpf heteronom durch die Schöpfungsordnungen Gottes bestimmt ist, wendet er sich dagegen, im Versuch autonom zu sein. Seine Realität und Schicksal will er nicht als von Gott bestimmt akzeptieren, sondern er will selber so sein wie Gott. (Ganzheitliche Entfremdung)

3 Biblisches Grundmotiv und Grundstrukturen der Offenbarung

Im vorherigen Punkt haben wir die Apotheose mit Blick auf dem Bedeutungszusammenhang des Sündenfalls betrachtet und die daraus folgende, fundamentale Konsequenzen, genannt: (1) Abfall von Gott, der absolute Ursprung, (2) Wurzelhafte Verderbtheit des Menschen, d.h. im Zentrum seiner Existenz, (3) Ganzheitliche Entfremdung, d.h. sein Davon-Betroffen-Sein in allen Bereichen seiner Existenz, die radikale Erlösungsbedürftigkeit der gesamten Schöpfung. Die genannten Konsequenzen können aufgegriffen werden, weil sie von fundamentalen Grundstrukturen der Schöpfung abgeleitet sind. Seit dem Sündenfall, sind uns diese durch die Offenbarung Gottes im dreifachen biblischen Grundmotiv von der (1) Schöpfung, (2) Fall und (3) Erlösung, zugänglich[1]. Die biblische Botschaft umkreist diese Ideen und mit der progressiven Selbstoffenbarung Gottes, wird das biblische Grundmotiv vertieft und entfaltet. Dessen Kulmination wird in Jesus Christus erreicht, der gekommen ist um uns Gott in leibhaftiger Fülle zu offenbaren, seinen erwählten Menschen (2) in ihrer Wurzel zu erlösen und sie (1) mit Gott, den absoluten Ursprung (3) durch den Heiligen Geist zu versöhnen. Erstaunlich und zugleich sehr sinnvoll, dass die Schöpfung trotz Sündenfalls noch von der heiligen Dreieinigkeit in ihren Grundstrukturen zeugt (Vgl. Röm 1).
Korrelativ dazu, wurden die drei fundamentalen Ideen, in der Philosophiegeschichte als die zentralsten transzendentalen Ideen, die für das Denken regulativ sind, identifiziert ([1] Gott, [2] Mensch und [3] Welt). In Anlehnung an Dooyeweerd, können diese in (1) Ursprung, (2) Vielfalt und (3) Ganzheit umschrieben werden. Und in der Tat, reflektiert selbst jede theoretische Ausarbeitung (analytische Abstraktion) diese drei, die als Grenzbegriffe dienen, wodurch die Möglichkeit des Denkens eingegrenzt wird.[2]. Als Illustration dazu, sei z.B. das Vorwort Calvins zur Institutio erwähnt, wo er (bewusst oder unbewusst) darauf anspielt, indem er seine Methode zur biblischen Interpretation und zugleich Intention seines Werkes auf die drei transzendentalen Ideen einschränkt:
„Denn ich meine, (1) die Summe der Religion in allen Abschnitten so zusammengefasst und in einer solchen (2) Anordnung dargestellt zu haben, dass es jedem, der sich (2) richtig daran hält, nicht schwer fallen dürfte zu entscheiden, was er (1) insbesondere in der Schrift suchen und auf welches (3) Ziel er alles in ihr Enthaltene (3) ausrichten soll.“[3]
Also (1) Kern (2) Struktur (3) Ziel.  (1) steht korrelativ zu Gott/Ursprung, (2) zu Mensch/Vielfalt und (3) Welt/Ganzheit. Die Trinität, genauer betrachtet, das Werk der drei Personen der ontologischen Trinität, verleiht den Grundstrukturen der Schöpfung ihre unzerbrechliche Einheit in Vielfalt. Die transzendentalen Ideen reflektieren dieses Werk strukturell und beziehen sich auf die fundamentalen Grundstrukturen unserer Existenz. Dies eröffnet uns die radikale biblische Botschaft der Schöpfung durch Gott, des Falls in die Sünde und der Erlösung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist, wenn wir durch das Wort Gottes wiedergeboren werden. Damit offenbart sich der biblische Ausgangspunkt als unumgänglicher und zentraler Bezugspunkt (in Christus) um eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Wesen der Apotheose zu ermöglichen. Es sind zugleich Grundsteine für eine transzendentale Kritik und eine reformatorische Entgegnung, gelegt.

4 Transzendentale Kritik des autonomen Denkens

Wie bereits bei Punkt 1 angedeutet, geht es bei Apotheose im Kern um das Streben nach Autonomie. Die Prämisse, dass unser Denken autonom sei, ist nicht nur im Garten Eden anzutreffen, sondern als radikale Folge des Sündenfalls. Anhand der Entwicklung der westlichen Denkgeschichte, illustriert Dooyeweerd diese Tatausführlich:
When man becomes conscious of the supremacy of his "rational"
functions over the "irrational" forces of nature, faith in its apostate
direction rises above the rigid confines of primitive faith in nature.
Seeing himself and his gods in the light of the "rational" or normative
aspects of temporal reality, man takes science, culture, art, and morality
as his objects of deification. This is a transition whereby fallen man
comes to increasing self-awareness in faith. Man gradually becomes
conscious of his freedom to shape his historical future in accordance with
a design, in distinction from the rigidity of a closed society in which
tradition is nearly omnipotent.“ [4]
Selbst Kant, Begründer der transzendentalen Kritik, hinterfragte die Autonomie des theoretischen Denkens nicht, sondern akzeptierte es unkritisch als Voraussetzung. Das autonome Denken wurde durch die transzendentale Kritik der reformatorischen Philosophie als von einem abtrünnigen Grundmotiv geleitet, entlarvt. Denn wenn gefragt wird, was das theoretische Denken ermöglicht und was ihre notwendige Bedingungen sind, ist Autonomie unhaltbar. Schon die unzähligen Divergenzen innerhalb und zwischen Denkschulen weisen darauf hin, dass das theoretische Denken eine tiefere Wurzel hat (In Christus oder in Adam).[5]
Auch im Licht der transzendentalen Ideen, zeigt sich die Prämisse der Autonomie in vielerlei Hinsichten als fehlgeleitet:
(1) Bei der Idee des Ursprungs handelt es sich um das Absolute, was die Einordnung aller Relationen ermöglicht und verwirklicht. Hierbei wäre für die Apotheose und den „autonomen“ Menschen, die Allwissenheit die einzige Rettung vom Relativismus. (2) Die Idee der Vielfalt verlangt nach einem zentralen Bezugspunkt für die synthetischen Tätigkeiten des Denkens. Die „autonome“ Apotheose endet im reduktionistischen Versuch, vielfältige Strukturen auf eine zeitliche, (z.B. logische) Funktion zu reduzieren. (3) Die Idee der Ganzheit und Zielgerichtetheit aller Dinge impliziert viele Gesetzeskreise, die zu den Strukturen der Welt und unserem Erfahrungshorizont gehören. Autonomie aber, erklärt alles für unwirklich, was nicht  durch menschliche „Freiheit“ kontrolliert und begriffen werden kann (z.B. Verabsolutierung durch Logik, im Sinne des Rationalismus, oder der Sinnlichkeit, im Sinne der Romantik). Ein integrales Verständnis der Zusammenhänge der Welt ist durch solch dualistische Neigung unmöglich und zerstört in dialektische Weise die Ganzheitlichkeit der menschlichen Erfahrung.[6]
Keine Einheit in der Vielfalt, sondern willkürlicher Chaos. Weder Anfang noch Ende, keine Geschichte, sondern bloß Chronik. Nihilismus ist die natürliche Konsequenz, wenn alles sinnlos und gottlos wird. Nichts macht Sinn, wenn Gott nicht hinter allem steht. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Streben nach Autonomie seitens des Geschöpfs im Selbstwiederspruch endet, denn selbst seine Freiheit macht erst Sinn, wenn seiner Existenz kohärent ist, umgriffen von der absoluten Souveränität Gottes. Selbst in Abtrünnigkeit bleiben Geschöpfe vom Schöpfer und seinen Ordnungen abhängig. In abtrünniger Herzensausrichtung leben sie im Götzendienst, aber es ist weiterhin der Schöpfer, der Sie am Leben erhält, ihre sündhafte Neigung in Schranken hält und sie gemäß seinem ewigen Ratschluss, führt.
Letztere sind theologische Konsequenzen, die aus einer transzendentalen Kritik der Autonomie folgen. Nun ist es sinnvoll, auf transzendentale Strukturen zurückzukommen.

5 Religiöse Konzentration des Denkens

Es durfte anhand des vorherigen Punktes klar geworden sein, dass die „angebliche“ Autonomie des Denkens selbstwidersprüchlich ist und strukturell eben das Gegenteil voraussetzt als es ihre Verfechter wünschen, nämlich Gottes souveräne Ordnungen, die das Denken des Menschen ermöglicht und reguliert, selbst wenn seines Herzensausrichtung abtrünnig ist. Apotheose seitens des Geschöpfs ist im Kern parasitisch und besitz kein Eigenleben, sondern zerrt von der einzigen, wahren Lebensquelle. Die Wahrheit wird vorausgesetzt um in Lügen verkehrt zu werden. Die Begegnung mit der Offenbarung Gottes geschieht im Pre-theoretischem. Die logische Funktion wird abhängig von der Herzensausrichtung gebraucht. Das Denken ist von Natur aus nicht autonom, sondern religiös. Der Mensch ist konstitutiv und konzentrisch auf die einzig wahre Ursprungseinheit und Lebensquelle (Gott) ausgerichtet. Diese konzentrische Beziehung ist ein Strukturgesetz des Selbst. Dooyeweerd nennt es „Gesetz der religiösen Konzentration des Bewusstseins“. Es bedeutet, dass alle Selbsterkenntnis durch Gotterkenntnis, im Abfall durch Götzendienst, völlig bedingt ist. Jede Absolut-Setzung seitens des Geschöpfs ist als religiöse Stellungnahme dem absoluten Ursprung (Gott) gegenüber, zu deuten.[7] Wenn der Mensch sich fragt wer er ist, ist es ihm unmöglich, autonom (rationalistisch) zu antworten. Vielmehr ist die Antwort Ausdruck seines Grundmotivs, wonach seine gesamte Existenz ausgerichtet ist, wie ein reformatorischer Philosoph beschreibt:
„It is a motive, for it has made me conscious that my being in this life is essentially dynamic, and that, it is meaning. And, I give an account of this motive. That is to say that I have the sense of logical distinction, which helps me in taking my responsibility. I am to take my responsibility. That is to say that the motive drives me and calls me to such activity that the dynamics of this motive is transmitted into the whole reality of life that is concretely mine.”
Das Grundmotiv ist also das wahre Bindeglied zwischen pre-theoretische Erfahrung und theoretisches Denken.  Apotheose ist also Ausdruck religiöser Abtrünnigkeit und geschöpfliche Autonomie eine Lüge, die parasitisch von der Wahrheit Gottes lebt.

6 Modale Strukturtheorie der zeitlichen Wirklichkeit

Mit Blick auf die transzendentalen Ideen wurde aufgezeigt, dass die Autonomie des Denkens zu einer reduktionistischen Sicht der Realität führt (siehe S.5), d.h. sie steht einer Ganzheitsschau im Weg, die eben nicht nur aus der logischen Funktion (analytischer Aspekt), sondern aus vielen weiteren besteht (arithmetisch, räumlich, physisch, kinetisch, biotisch, psychisch, analytisch, historisch, linguistisch, sozial, ökonomisch, ästhetisch, juristische, ethische, pistisch).
Entgegen der genannten reduktionistischen Sicht, die durch die Verabsolutierung des logischen Aspektes entstanden ist, präsentiert sich die ganzheitliche modale Strukturtheorie als reformatorische Ontologie, in Abwendung von der im Westen griechisch-geprägten Denkweise und in Übereinstimmung mit dem biblischen Grundmotiv:      
„Die Aspekte sind enthalten in beständigen Strukturen, die, in der zeitlichen Ordnung der Wirklichkeit begründet, als ontische Aprioris alle Phänomene innerhalb des Aspektes ermöglichen. Jede modale Struktur begrenzt einen Kreis modaler Aspekte (Gesetzeskreis), denen die zeitliche Wirklichkeit in diesem Einzelaspekt untergeordnet ist. Weil die modalen Strukturen nur eine überzeitliche Einheit besitzen (Gott) und nur auf einen überzeitlichen Generalnenner zurückgeführt werden können, sind die Gesetzeskreise einander gegenüber unreduzierbar, haben jeder für sich Souveränität im eigenen Kreis. Jeder Gesetzeskreis bildet eine unlösliche Wechselbeziehung zwischen Gesetzes- und Subjektseite, weil die zeitliche Realität in jedem Kreis eine modale Funktion hat und in dieser Funktion den modalen Kreisgesetzen subjekt ist.[8]
Die reformatorische Ontologie entlarvt jede Verabsolutierung (auch, die der logischen Funktion) als Götzendienst, Apotheose, die von einer abtrünnigen religiösen Ausrichtung bestimmt ist. Die dialektische Zerrissenheit des abtrünnigen Bewusstseins äußert sich auch in der Missachtung der obengenannten, unlöslichen Subjekt-Objekt-Beziehung und versperrt den Zugang zu der modalen Struktur der zeitlichen Wirklichkeit. Beispiele für die Überbetonung entweder der Gesetzes- (Objekt-) oder der Subjektseite sind uns in der Geschichte des westlichen Denkens in mehrfacher Erscheinungsformen begegnet, in objektivistischen (Rationalismus, Idealismus, Skeptizismus, Formalismus, Positivismus, usw…) wie in subjektivistischen (Romantik, Mystizismus, Marxismus, Existentialismus, Nihilismus, usw…) Tendenzen.
Dooyeweerd unterstreicht wie folgt die Bedeutung der Subjekt-Objekt-Beziehung:
“In naive experience we attribute without 'hesitation objective qualities--
sensual, logical, cultural, social, aesthetic, even moral- to the objects
of our common life, We know very well that they cannot function as subjects
which feel, distinguish logically, live together in a society, or make
value-judgments. We know perfectly that these objective qualities belong
to them only with reference to the subjective functions of some possible
consciousness. We experience this relation of subject and object as a
structural relation of reality itself. [9]
Die ganzheitliche Erfahrung (Verknüpfung des Denkens mit dem Pre-Theoretischen)  ist also nur aufgrund dieser unlöslichen Wechselbeziehung möglich. Gesetze aus der Gesetzesseite besitzen ihre Korrelaten auf der Subjektseite.
Apotheose, in der Wahnvorstellung der Autonomie, will dem Gesetz Gottes entkommen. Nun ist aber Gottes Gesetz die für Geschöpfe unüberbrückbare Grenze, die Gott von seiner Schöpfung unterscheidet, so Vollenhoven:
„The demarcation of the law of God is permanently posited by God for that which is created. For the only being who sovereignly gives laws to the cosmos and maintain them is God; on the other hand, all that which is created is subjected to his laws. And it continues to be subjected because God’s activity in the cosmos since the creation is never coupled with a violation of the law. Accordingly, it is impossible to mention anything divine that stands under the law or anything that is created that stands above the law”[10]
Die Missachtung des Gesetzes Gottes seitens des Geschöpfs ist Folge des abtrünnigen Grundmotivs und vollzieht sich in einer dialektischen Verabsolutierung des Zeitlichen/der Schöpfung (vgl. Röm 1):
„Das abgöttische Leitmotiv zeigt verschiedene Gestalten, weil es sich in verabsolutierendem Sinne auf das Zeitliche in seiner wesentlichen Mannigfaltigkeit richtet. Zudem ist es immer notwendigerweise dialektischer Art, weil ein Absolutsetzen des Relativen das nun auch als absolut auftretende Korrelative heraufbeschwört.[11]
Erneut, belegt dies der geistige Werdegang der westlichen Geschichte, in der dialektischen Entfaltung der „scheinbar“ gegensätzlichen objektivistischen und subjektivistischen Tendenzen, die aber in Wahrheit im selben Dualismus verwurzelt sind.    Aber selbst wenn Geschöpfe nicht auf Gottes Gesetz hören wollen, fliehen können sie dennoch nicht.  Es geht aus den Erkenntnissen der transzendentalen Kritik des autonomen Denkens klar hervor, dass das Denken religiöser Natur ist. Somit wurde die Realität der Apotheose als Herzensausrichtung und ihre Haltung als religiöse Stellungnahme identifiziert. Weiter wurde der Ertrag des abtrünnigen Denkens als verabsolutierend und zugleich reduktionistisch entlarvt, unfähig die Einheit und Vielfalt der zeitlichen Wirklichkeit sinnvoll und kohärent darzustellen. Die reformatorische Ontologie  dagegen, zeigt sich als richtungsweisend, um in Übereinstimmung mit dem biblischen Grundmotiv und der biblischen Botschaft, Widersprüche aufzudecken und Probleme zu lösen, ohne die philosophisch-technische Seite zu vernachlässigen und zugleich ohne die religiös-theologische Grundlage der menschlichen Existenz zu vergessen. Die damit implizierte wechselseitige Beziehung aus reformatorischer Theologie und Philosophie und ihre notwendige Einheit bestätigt was bisher erarbeitet wurde, verweist auf die fundamentale Bedeutung der transzendentalen Ideen des Ursprungs (religiöse Natur des Denkens) und Vielfalt (modale Strukturen der zeitlichen Wirklichkeit) und  macht Platz für die Verkündigung des Evangeliums. Damit nähern wir uns der dritten transzendentalen Idee an, die unlöslich mit den anderen zwei Ideen verknüpft und für die Synthese aus dem logischen Aspekt und den Nicht-logischen-Aspekten der Subjekt-Objekt-Beziehung zuständig ist.

7 Funktion und Struktur des Glaubens

In den letzten zwei Abschnitten, wurden vordergründig transzendentalen Strukturen mit Blick auf die Ideen des Ursprungs und der Vielfalt abgehandelt. Nun wenden wir uns der transzendentalen Idee der Ganzheit zu. Diverse theologische wie philosophische Schlüsse wurden bereits gezogen. Die verabsolutierende Tendenz der Apotheose zwang zu der Annahme, dass das Denken nicht autonom sein kann, sondern religiös ist. Durch ihre reduktionistische Tendenz wurde offensichtlich, dass Apotheose und Autonomie des Denkens Relationen nicht einzuordnen vermögen. Folglich ist Apotheose eine Folge der Rebellion gegen Gottes souveräne Ordnung. In seiner transzendentalen Herzensausrichtung (Glaube/Grundüberzeugung), transzendiert das Geschöpf (im Bewusstsein/nicht faktisch) die zeitliche Sphäre und schafft durch die Glaubensfunktion die Synthese aus dem logischen und den nicht-logischen Aspekten, gemäß seines Grundmotivs (In Adam oder in Christus) und in Antwort auf Gottes Gesetz, immer in Gehorsam oder Ungehorsam Gott gegenüber. Bezogen auf die transzendentale Idee der Ganzheit ist damit gesagt, dass nicht die logische Funktion (im Westen vorherrschende Position) für die Synthese der Subjekt-Objekt-Beziehung zuständig ist, sondern die Glaubensfunktion, weil sie die Höchste und somit Leitungsfunktion in der Skala der menschlichen Funktionen trägt, so Vollenhoven:
 When I thus consider faith the highest function in human existence, two things are implied: on the one hand that believing is only a function, and on the other hand that believing is the most important in the scala of functions.”[12]
Weiter beschreibt er die Funktion und Struktur des Glaubens, in einleuchtender Übereinstimmung zu der bisher erarbeiteten, reformatorischen Ontologie:
“First: believing is only functional. That is to say: faith is not identical with heart, but is determined by the heart in its direction towards good or evil, i.e. in obedience to the law of love or not. In other words: the whole man is religious, and his life is a walk before the face of God in obedience or disobedience.”[13]
Zusammengefasst sei also festgehalten, dass die Glaubensfunktion zeitlich ist und die Ganzheitsschau erst ermöglicht. Dessen Ausrichtung aber,  ist transzendental und überzeitlich von seinem Grundmotiv abhängig und vollzieht sich immer in Gehorsam oder Ungehorsam gegenüber Gottes souveränen Ordnungen. Zum Abschluss sei erneut betont, dass Gottes Ordnungen (Gesetz) weiterhin Bestand haben, egal ob sich das Geschöpf über Gott erheben will oder nicht, wie Stoker betont:
„…God as absolute sovereign Legislator and Sovereign has given the law for all the cosmos, with no exception;… the law may neither be absolutised nor subjectivised; the law (or cosmic-order) of God constitues a distinctive boundary between God and the cosmos (matter, plant, animal and human being) that cannot be (factually) transcended by the cosmos (including the human being); … there is a coherent diversity of laws;… the law (or cosmic-order) applies to the cosmos, and it constantly applies, even when human beings transgress the (normative) cosmic-order…”[14]

8 Nachwort

Durch den erarbeiteten Versuch einer reformatorischen Konfrontation mit der Apotheose aufgrund von transzendentalen Denkstrukturen, wurde die Apotheose als eine existentielle Auflehnung gegen die Souveränität Gottes entlarvt, die aber konstitutiv von derselben abhängig ist und somit parasitischem und selbstwidersprüchlichem Charakter nachweist. Die reformatorische Philosophie und  Theologie dagegen, bietet eine integrale Alternative an, die sowohl konstitutiv wie existentiell sinnvoll ist. Aber die Verknüpfung zwischen Theologie, Philosophie und Realität ist viel dynamischer als jede theoretische (wissenschaftliche) Abhandlung sein kann. Ziel jeder theoretischen Auseinandersetzung muss Gottes Ehre bleiben. Praktisch bedeutet dies für uns, dass nicht die Logik (Apotheose/Die Weisheit der Griechen) sondern Christi Kreuz das letzte Wort haben muss, wenn wir uns unter Gottes Gesetz und Wille stellen wollen (Gottesfurcht/Die Weisheit Gottes). Dies betonte Mekkes im Zuge einer Abhandlung über die Grenzen der zeitlichen Existenz, zu Recht und indirekt als Antwort auf  reaktionäre Missdeutungen der reformatorischen Philosophie:
„…Man should not seek norms and qualification of culture and its concrete results in some transcendent sphere that is not understood from the concrete cross of the Master. It is true that the letter to the Colossians teaches clearly that Christ has gained the victory over all the powers that exist, including those that oppose Him, but He did so by the cross... World history is shown its destination by His cross and suffering. The course of history is determined by this center. It is up to the “disciples” left behind to announce to the world the meaning of its history, in order that it joins with them behind Him who is no longer in the world.
In the meantime, they are in the world. To them He has shown His resurrection and victory. He has also promised these to them. But they themselves are not beyond what “remains” of his cross. This is what they have to take upon themselves, as they follow Him…”[15]


9 Bibliographie


Calvin, Johannes, Institutio Christianae Religionis. Neukirchen-Vluyn [Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH] 2008.
Dooyeweerd, Introduction To A Transcendental Criticism of Philosophic Thought, In: www.reformationalpublishingproject.com [abgerufen am 21.09.2012].
Dooyeweerd, Herman, No crepúsculo do pensamento ocidental, Editora Hagnos, Sao Paulo, Brasil, 2010.
Dooyeweerd, Herman, Roots of Western Culture, Pagan, Secular and Christian Options, Wedge Publishing Foundation, Toronto, Canada, 1979.
Stoker, Hendrik G., Philosophy of The Creation Idea, Translation of Oorsprong en Rigting, Volume II, Section 6, Tafelberg: Cape Town (p.202-331), Potchefstroom, South Africa, 2010.
Marlet S.J., Michael Fr. J., Grundlinien der kalvinistischen Philosophie der Gesetzesidee als christlicher Transzendentalphilosophie, Karl Zink Verlag, München, 1954.
Mekkes, Johan, Creation Revelation and Philosophy, Dordt College Press, United States of America, 2010.
Vollenhoven, Dirk H.T., Introduction to Philosophy, Dordt College Press, United States of America, 2005.
Vollenhoven, Dirk H.T., Faith – Its Nature and Structure and its Significance for Science, In: www.reformationalpublishingproject.com [abgerufen am 21.09.2012]




[1] Anmerkung des Autors: Es ist auch sinnvoll, in vorsichtiger Weise von den drei Gestalten des Wortes Gottes zu reden (1) Das Wort des Gesetzes (Schöpfungsordnungen), (2) Das inkarnierte Wort (Jesus Christus) und (3) das inspirierte Wort Gottes (Hl. Schrift). Vorsicht ist geboten, weil die die Hl. Schrift bei der Übermittlung der biblischen Botschaft Vorrangstellung genießt. Zum Thema Hl. Schrift im integralen Sinne, sei das Werk von H. Ridderbos über die Theologie des Paulus erwähnt.
[2] Dooyeweerd, Herman, No crepúsculo do pensamento ocidental, Editora Hagnos, Sao Paulo,Brasil, 2010, S.104.
[3] Calvin, Johannes, Institutio Christianae Religionis. Neukirchen-Vluyn [Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH] 2008,, S.19.
[4] Dooyeweerd, Herman, Roots of Western Culture, Pagan, Secular and Christian Options, Wedge Publishing Foundation, Toronto, Canada, 1979, S.104.
[5] Dooyeweerd, Herman, Introduction To A Transcendental Criticism of Philosophic Thought, S,2-5, In: www.reformationalpublishingproject.com
[6] Dooyeweerd, Herman, No crepúsculo do pensamento ocidental, S.104.
[7] Vgl. Marlet S.J., Michael Fr. J., Grundlinien der kalvinistischen Philosophie der Gesetzesidee als christlicher Transzendentalphilosophie, Karl Zink Verlag, München, 1954, S.38-39
[8] Ebd. S.49-50.
[9] Dooyeweerd, Herman, Introduction To A Transcendental Criticismof Philosophic Thought, S,2, In: www.reformationalpublishingproject.com
[10] Vollenhoven, Dirk H.T., Introduction to Philosophy, Dordt College Press, USA, 2005, S.15.
[11]Vgl. Marlet S.J., Michael Fr. J., Grundlinien der kalvinistischen Philosophie der Gesetzesidee, S.42.
[12] Vollenhoven, H.T. Dirk, Faith – Its Nature and Structure and its Significance for Science, S.2, In: www.reformationalpublishingproject.com
[13] Ebd.
[14] Stoker, Hendrik G., Philosophy of The Creation Idea, Translation of Oorsprong en Rigting, Volume II, Section 6, Tafelberg: Cape Town (p.202-331), Potchefstroom, South Africa, 2010, S.39.
[15] Mekkes, Johan, Creation Revelation and Philosophy, S. 71-72.

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