Fachbereich: Historische
Theologie
„Und ihr werdet
sein wie Gott“- Wesen und Struktur der Apotheose reformatorisch konfrontiert
Hausarbeit zu
Kirchengeschichte II
bei
Dr. Martin Erdmann
vorgelegt von
Guilherme Braun
Jr.
Abgabetermin:
30.09.2012
Hannover,
Sommersemester 12/13
1 Einleitung
In der vorliegenden
Hausarbeit wurde eine Auseinandersetzung mit dem Thema Apotheose angestrebt,
die sowohl mit der Theologie der Reformatoren wie auch mit der reformatorischen
Philosophie, die durch den Einfluss Abraham Kuypers, in der darauffolgenden Generation
(Dooyeweerd, Vollenhoven) in Holland entwickelt worden ist. Das Thema Apotheose
soll dabei strukturell kritisiert und im Licht der Offenbarung Gottes bewertet
werden. Dabei bekommen Erkenntnisse aus der transzendentalen Kritik der
reformatorisch-philosophischen Schule eine tragende Rolle, denn sie wagt es,
die Grundprämissen der Apotheose aufzudecken und sie auf ihre transzendente Wurzel
zurückzuführen. Zudem werden auch reformatorische Antworten auf die
aufgedeckten Probleme präsentiert. Gewählt wurde dieser Ansatz ganz bewusst in
der Intention, Apotheose auf einer integralen Art und Weise zu begegnen, und
dies impliziert, dass der apologetischer Ansatz nicht nur im Sinne der
formellen Epistemologie und biblischen Theologie, sondern auch der Ontologie biblisch-reformatorisch
sein muss. Um Apotheose in diesem Sinne zu konfrontieren, müssen interne sowie
externe Strukturen und Zusammenhänge gemäß einer radikal biblischen Theologie
so wie Philosophie, d.h. von Christus her, in Kontrast zu den fundamentalen
Voraussetzungen der Apotheose, untersucht werden.
Biblische Einführung zum Thema Apotheose
Biblische Einführung zum Thema Apotheose
…und
ihr werdet sein wie Gott… (1. Mos 3,5)
Man
braucht bloß die ersten Seiten der Bibel zu lesen um mit Apotheose konfrontiert
zu werden. Der geschaffene Mensch verstößt gegen die göttliche Ordnung, im Versuch,
sich über Gott zu stellen (Apotheose). Ohne Erfolg, denn die Souveränität des
Schöpfers ist unumgänglich und bleibt Lebensvoraussetzung der Schöpfung, selbst
wenn Geschöpfe sich dagegen wenden. Der Ertrag des Sündenfalls ist bekannt: geistlicher
Tod.
1) Bereits
im Ereignis des Sündenfalls haben wir die Manifestation dessen, was Apotheose
im Kern bedeutet: Die Missachtung der göttlichen Ordnung seitens des Geschöpfs
und sein Streben nach Autonomie. (Abfall vom Ursprung des Lebens)
2)
Folglich ist der Mensch seit dem Sündenfall zur Apotheose geneigt. Durch die
verkehrte Ausrichtung seines sündigen Herzens ist seine transzendentale
Richtung abtrünnig geworden. (Wurzelhafte Verderbtheit)
3) Obwohl
das Geschöpf heteronom durch die Schöpfungsordnungen Gottes bestimmt ist, wendet
er sich dagegen, im Versuch autonom zu sein. Seine Realität und Schicksal will
er nicht als von Gott bestimmt akzeptieren, sondern er will selber so sein wie
Gott. (Ganzheitliche Entfremdung)
3 Biblisches Grundmotiv und Grundstrukturen der Offenbarung
Im
vorherigen Punkt haben wir die Apotheose mit Blick auf dem Bedeutungszusammenhang
des Sündenfalls betrachtet und die daraus folgende, fundamentale Konsequenzen,
genannt: (1) Abfall von Gott, der absolute Ursprung, (2) Wurzelhafte Verderbtheit
des Menschen, d.h. im Zentrum seiner Existenz, (3) Ganzheitliche Entfremdung, d.h.
sein Davon-Betroffen-Sein in allen Bereichen seiner Existenz, die radikale
Erlösungsbedürftigkeit der gesamten Schöpfung. Die genannten Konsequenzen
können aufgegriffen werden, weil sie von fundamentalen Grundstrukturen der
Schöpfung abgeleitet sind. Seit dem Sündenfall, sind uns diese durch die Offenbarung
Gottes im dreifachen biblischen Grundmotiv von der (1) Schöpfung, (2) Fall und
(3) Erlösung, zugänglich[1].
Die biblische Botschaft umkreist diese Ideen und mit der progressiven
Selbstoffenbarung Gottes, wird das biblische Grundmotiv vertieft und entfaltet.
Dessen Kulmination wird in Jesus Christus erreicht, der gekommen ist um uns
Gott in leibhaftiger Fülle zu offenbaren, seinen erwählten Menschen (2) in
ihrer Wurzel zu erlösen und sie (1) mit Gott, den absoluten Ursprung (3) durch
den Heiligen Geist zu versöhnen. Erstaunlich und zugleich sehr sinnvoll, dass
die Schöpfung trotz Sündenfalls noch von der heiligen Dreieinigkeit in ihren
Grundstrukturen zeugt (Vgl. Röm 1).
Korrelativ
dazu, wurden die drei fundamentalen Ideen, in der Philosophiegeschichte als die
zentralsten transzendentalen Ideen, die für das Denken regulativ sind, identifiziert
([1] Gott, [2] Mensch und [3] Welt). In Anlehnung an Dooyeweerd, können diese in
(1) Ursprung, (2) Vielfalt und (3) Ganzheit umschrieben werden. Und in der Tat,
reflektiert selbst jede theoretische Ausarbeitung (analytische Abstraktion) diese
drei, die als Grenzbegriffe dienen, wodurch die Möglichkeit des Denkens eingegrenzt
wird.[2].
Als Illustration dazu, sei z.B. das Vorwort Calvins zur Institutio erwähnt, wo
er (bewusst oder unbewusst) darauf anspielt, indem er seine Methode zur biblischen
Interpretation und zugleich Intention seines Werkes auf die drei transzendentalen
Ideen einschränkt:
„Denn ich
meine, (1) die Summe der Religion in allen Abschnitten so zusammengefasst und
in einer solchen (2) Anordnung dargestellt zu haben, dass es jedem, der sich (2)
richtig daran hält, nicht schwer fallen dürfte zu entscheiden, was er (1) insbesondere
in der Schrift suchen und auf welches (3) Ziel er alles in ihr Enthaltene (3) ausrichten
soll.“[3]
Also
(1) Kern (2) Struktur (3) Ziel. (1)
steht korrelativ zu Gott/Ursprung, (2) zu Mensch/Vielfalt und (3)
Welt/Ganzheit. Die Trinität, genauer betrachtet, das Werk der drei Personen der
ontologischen Trinität, verleiht den Grundstrukturen der Schöpfung ihre
unzerbrechliche Einheit in Vielfalt. Die transzendentalen Ideen reflektieren
dieses Werk strukturell und beziehen sich auf die fundamentalen Grundstrukturen
unserer Existenz. Dies eröffnet uns die radikale biblische Botschaft der
Schöpfung durch Gott, des Falls in die Sünde und der Erlösung in Jesus Christus
durch den Heiligen Geist, wenn wir durch das Wort Gottes wiedergeboren werden. Damit
offenbart sich der biblische Ausgangspunkt als unumgänglicher und zentraler
Bezugspunkt (in Christus) um eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Wesen
der Apotheose zu ermöglichen. Es sind zugleich Grundsteine für eine transzendentale
Kritik und eine reformatorische Entgegnung, gelegt.
4 Transzendentale Kritik des autonomen Denkens
Wie bereits bei Punkt 1
angedeutet, geht es bei Apotheose im Kern um das Streben nach Autonomie. Die Prämisse,
dass unser Denken autonom sei, ist nicht nur im Garten Eden anzutreffen,
sondern als radikale Folge des Sündenfalls. Anhand der Entwicklung der
westlichen Denkgeschichte, illustriert Dooyeweerd diese Tatausführlich:
„When man becomes conscious of the supremacy of his "rational"
functions over
the "irrational" forces of nature, faith in its apostate
direction
rises above the rigid confines of primitive faith in nature.
Seeing himself
and his gods in the light of the "rational" or normative
aspects of
temporal reality, man takes science, culture, art, and morality
as his objects
of deification. This is a transition whereby fallen man
comes to
increasing self-awareness in faith. Man gradually becomes
conscious of
his freedom to shape his historical future in accordance with
a design, in
distinction from the rigidity of a closed society in which
Selbst
Kant, Begründer der transzendentalen Kritik, hinterfragte die Autonomie des
theoretischen Denkens nicht, sondern akzeptierte es unkritisch als Voraussetzung.
Das autonome Denken wurde durch die transzendentale Kritik der reformatorischen
Philosophie als von einem abtrünnigen Grundmotiv geleitet, entlarvt. Denn wenn
gefragt wird, was das theoretische Denken ermöglicht und was ihre notwendige Bedingungen
sind, ist Autonomie unhaltbar. Schon die unzähligen Divergenzen innerhalb und
zwischen Denkschulen weisen darauf hin, dass das theoretische Denken eine
tiefere Wurzel hat (In Christus oder in Adam).[5]
Auch im Licht der transzendentalen Ideen, zeigt
sich die Prämisse der Autonomie in vielerlei Hinsichten als fehlgeleitet:
(1) Bei der Idee des Ursprungs handelt es sich um das
Absolute, was die Einordnung aller Relationen ermöglicht und verwirklicht.
Hierbei wäre für die Apotheose und den „autonomen“ Menschen, die Allwissenheit
die einzige Rettung vom Relativismus. (2) Die Idee der Vielfalt verlangt nach
einem zentralen Bezugspunkt für die synthetischen Tätigkeiten des Denkens. Die
„autonome“ Apotheose endet im reduktionistischen Versuch, vielfältige
Strukturen auf eine zeitliche, (z.B. logische) Funktion zu reduzieren. (3) Die
Idee der Ganzheit und Zielgerichtetheit aller Dinge impliziert viele
Gesetzeskreise, die zu den Strukturen der Welt und unserem Erfahrungshorizont
gehören. Autonomie aber, erklärt alles für unwirklich, was nicht durch menschliche „Freiheit“ kontrolliert und
begriffen werden kann (z.B. Verabsolutierung durch Logik, im Sinne des Rationalismus,
oder der Sinnlichkeit, im Sinne der Romantik). Ein integrales Verständnis der Zusammenhänge
der Welt ist durch solch dualistische Neigung unmöglich und zerstört in
dialektische Weise die Ganzheitlichkeit der menschlichen Erfahrung.[6]
Keine Einheit in der Vielfalt, sondern
willkürlicher Chaos. Weder Anfang noch Ende, keine Geschichte, sondern bloß
Chronik. Nihilismus ist die natürliche Konsequenz, wenn alles sinnlos und
gottlos wird. Nichts macht Sinn, wenn Gott nicht hinter allem steht.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Streben nach Autonomie seitens des
Geschöpfs im Selbstwiederspruch endet, denn selbst seine Freiheit macht erst
Sinn, wenn seiner Existenz kohärent ist, umgriffen von der absoluten
Souveränität Gottes. Selbst in Abtrünnigkeit bleiben Geschöpfe vom Schöpfer und
seinen Ordnungen abhängig. In abtrünniger Herzensausrichtung leben sie im Götzendienst,
aber es ist weiterhin der Schöpfer, der Sie am Leben erhält, ihre sündhafte
Neigung in Schranken hält und sie gemäß seinem ewigen Ratschluss, führt.
Letztere sind theologische Konsequenzen, die aus
einer transzendentalen Kritik der Autonomie folgen. Nun ist es sinnvoll, auf
transzendentale Strukturen zurückzukommen.
5 Religiöse Konzentration des Denkens
Es
durfte anhand des vorherigen Punktes klar geworden sein, dass die „angebliche“
Autonomie des Denkens selbstwidersprüchlich ist und strukturell eben das
Gegenteil voraussetzt als es ihre Verfechter wünschen, nämlich Gottes souveräne
Ordnungen, die das Denken des Menschen ermöglicht und reguliert, selbst wenn
seines Herzensausrichtung abtrünnig ist. Apotheose seitens des Geschöpfs ist im
Kern parasitisch und besitz kein Eigenleben, sondern zerrt von der einzigen,
wahren Lebensquelle. Die Wahrheit wird vorausgesetzt um in Lügen verkehrt zu
werden. Die Begegnung mit der Offenbarung Gottes geschieht im Pre-theoretischem.
Die logische Funktion wird abhängig von der Herzensausrichtung gebraucht. Das
Denken ist von Natur aus nicht
autonom, sondern religiös. Der
Mensch ist konstitutiv und konzentrisch auf die einzig wahre Ursprungseinheit
und Lebensquelle (Gott) ausgerichtet. Diese konzentrische Beziehung ist ein
Strukturgesetz des Selbst. Dooyeweerd nennt es „Gesetz der religiösen
Konzentration des Bewusstseins“. Es bedeutet, dass alle Selbsterkenntnis durch
Gotterkenntnis, im Abfall durch Götzendienst, völlig bedingt ist. Jede
Absolut-Setzung seitens des Geschöpfs ist als religiöse Stellungnahme dem absoluten
Ursprung (Gott) gegenüber, zu deuten.[7]
Wenn der Mensch sich fragt wer er ist, ist es ihm unmöglich, autonom
(rationalistisch) zu antworten. Vielmehr ist die Antwort Ausdruck seines
Grundmotivs, wonach seine gesamte Existenz ausgerichtet ist, wie ein
reformatorischer Philosoph beschreibt:
„It is a motive, for it has made me conscious that my being in this life
is essentially dynamic, and that, it is meaning. And, I give an account of this
motive. That is to say that I have the sense of logical distinction, which
helps me in taking my responsibility. I am to take my responsibility. That is
to say that the motive drives me and calls me to such activity that the dynamics
of this motive is transmitted into the whole reality of life that is concretely
mine.”
Das Grundmotiv ist also das wahre Bindeglied zwischen
pre-theoretische Erfahrung und theoretisches Denken. Apotheose ist also Ausdruck religiöser
Abtrünnigkeit und geschöpfliche Autonomie eine Lüge, die parasitisch von der
Wahrheit Gottes lebt.
6 Modale Strukturtheorie der zeitlichen Wirklichkeit
Mit
Blick auf die transzendentalen Ideen wurde aufgezeigt, dass die Autonomie des
Denkens zu einer reduktionistischen Sicht der Realität führt (siehe S.5), d.h.
sie steht einer Ganzheitsschau im Weg, die eben nicht nur aus der logischen
Funktion (analytischer Aspekt), sondern aus vielen weiteren besteht
(arithmetisch, räumlich, physisch, kinetisch, biotisch, psychisch, analytisch, historisch,
linguistisch, sozial, ökonomisch, ästhetisch, juristische, ethische, pistisch).
Entgegen
der genannten reduktionistischen Sicht, die durch die Verabsolutierung des
logischen Aspektes entstanden ist, präsentiert sich die ganzheitliche modale Strukturtheorie
als reformatorische Ontologie, in Abwendung von der im Westen
griechisch-geprägten Denkweise und in Übereinstimmung mit dem biblischen
Grundmotiv:
„Die
Aspekte sind enthalten in beständigen Strukturen, die, in der zeitlichen
Ordnung der Wirklichkeit begründet, als ontische Aprioris alle Phänomene
innerhalb des Aspektes ermöglichen. Jede modale Struktur begrenzt einen Kreis
modaler Aspekte (Gesetzeskreis), denen die zeitliche Wirklichkeit in diesem
Einzelaspekt untergeordnet ist. Weil die modalen Strukturen nur eine
überzeitliche Einheit besitzen (Gott) und nur auf einen überzeitlichen Generalnenner
zurückgeführt werden können, sind die Gesetzeskreise einander gegenüber unreduzierbar,
haben jeder für sich Souveränität im eigenen Kreis. Jeder Gesetzeskreis bildet
eine unlösliche Wechselbeziehung zwischen Gesetzes- und Subjektseite, weil die
zeitliche Realität in jedem Kreis eine modale Funktion hat und in dieser
Funktion den modalen Kreisgesetzen subjekt ist.[8]“
Die
reformatorische Ontologie entlarvt jede Verabsolutierung (auch, die der logischen
Funktion) als Götzendienst, Apotheose, die von einer abtrünnigen religiösen
Ausrichtung bestimmt ist. Die dialektische Zerrissenheit des abtrünnigen Bewusstseins
äußert sich auch in der Missachtung der obengenannten, unlöslichen
Subjekt-Objekt-Beziehung und versperrt den Zugang zu der modalen Struktur der
zeitlichen Wirklichkeit. Beispiele für die Überbetonung entweder der Gesetzes- (Objekt-)
oder der Subjektseite sind uns in der Geschichte des westlichen Denkens in
mehrfacher Erscheinungsformen begegnet, in objektivistischen (Rationalismus, Idealismus,
Skeptizismus, Formalismus, Positivismus, usw…) wie in subjektivistischen (Romantik,
Mystizismus, Marxismus, Existentialismus, Nihilismus, usw…) Tendenzen.
Dooyeweerd
unterstreicht wie folgt die Bedeutung der Subjekt-Objekt-Beziehung:
“In naive
experience we attribute without 'hesitation objective qualities--
sensual, logical,
cultural, social, aesthetic, even moral- to the objects
of our common life,
We know very well that they cannot function as subjects
which feel,
distinguish logically, live together in a society, or make
value-judgments. We
know perfectly that these objective qualities belong
to them only with
reference to the subjective functions of some possible
consciousness. We
experience this relation of subject and object as a
Die ganzheitliche Erfahrung
(Verknüpfung des Denkens mit dem Pre-Theoretischen) ist also nur aufgrund dieser unlöslichen
Wechselbeziehung möglich. Gesetze aus der Gesetzesseite besitzen ihre Korrelaten
auf der Subjektseite.
Apotheose, in der
Wahnvorstellung der Autonomie, will dem Gesetz Gottes entkommen. Nun ist aber
Gottes Gesetz die für Geschöpfe unüberbrückbare Grenze, die Gott von seiner
Schöpfung unterscheidet, so Vollenhoven:
„The demarcation of the law of God is permanently
posited by God for that which is created. For the only being who sovereignly
gives laws to the cosmos and maintain them is God; on the other hand, all that
which is created is subjected to his laws. And it continues to be subjected
because God’s activity in the cosmos since the creation is never coupled with a
violation of the law. Accordingly, it is impossible to mention anything divine
that stands under the law or anything that is created that stands above the
law”[10]
Die
Missachtung des Gesetzes Gottes seitens des Geschöpfs ist Folge des abtrünnigen
Grundmotivs und vollzieht sich in einer dialektischen Verabsolutierung des Zeitlichen/der
Schöpfung (vgl. Röm 1):
„Das
abgöttische Leitmotiv zeigt verschiedene Gestalten, weil es sich in
verabsolutierendem Sinne auf das Zeitliche in seiner wesentlichen
Mannigfaltigkeit richtet. Zudem ist es immer notwendigerweise dialektischer
Art, weil ein Absolutsetzen des Relativen das nun auch als absolut auftretende
Korrelative heraufbeschwört.[11]
Erneut,
belegt dies der geistige Werdegang der westlichen Geschichte, in der dialektischen
Entfaltung der „scheinbar“ gegensätzlichen objektivistischen und subjektivistischen
Tendenzen, die aber in Wahrheit im selben Dualismus verwurzelt sind. Aber selbst wenn Geschöpfe nicht auf Gottes
Gesetz hören wollen, fliehen können sie dennoch nicht. Es geht aus den Erkenntnissen der
transzendentalen Kritik des autonomen Denkens klar hervor, dass das Denken
religiöser Natur ist. Somit wurde die Realität der Apotheose als
Herzensausrichtung und ihre Haltung als religiöse Stellungnahme identifiziert.
Weiter wurde der Ertrag des abtrünnigen Denkens als verabsolutierend und
zugleich reduktionistisch entlarvt, unfähig die Einheit und Vielfalt der
zeitlichen Wirklichkeit sinnvoll und kohärent darzustellen. Die reformatorische
Ontologie dagegen, zeigt sich als
richtungsweisend, um in Übereinstimmung mit dem biblischen Grundmotiv und der
biblischen Botschaft, Widersprüche aufzudecken und Probleme zu lösen, ohne die
philosophisch-technische Seite zu vernachlässigen und zugleich ohne die
religiös-theologische Grundlage der menschlichen Existenz zu vergessen. Die
damit implizierte wechselseitige Beziehung aus reformatorischer Theologie und
Philosophie und ihre notwendige Einheit bestätigt was bisher erarbeitet wurde,
verweist auf die fundamentale Bedeutung der transzendentalen Ideen des
Ursprungs (religiöse Natur des Denkens) und Vielfalt (modale Strukturen der
zeitlichen Wirklichkeit) und macht Platz
für die Verkündigung des Evangeliums. Damit nähern wir uns der dritten
transzendentalen Idee an, die unlöslich mit den anderen zwei Ideen verknüpft und
für die Synthese aus dem logischen Aspekt und den Nicht-logischen-Aspekten der
Subjekt-Objekt-Beziehung zuständig ist.
7 Funktion und Struktur des Glaubens
In
den letzten zwei Abschnitten, wurden vordergründig transzendentalen Strukturen
mit Blick auf die Ideen des Ursprungs und der Vielfalt abgehandelt. Nun wenden
wir uns der transzendentalen Idee der Ganzheit zu. Diverse theologische wie
philosophische Schlüsse wurden bereits gezogen. Die verabsolutierende Tendenz
der Apotheose zwang zu der Annahme, dass das Denken nicht autonom sein kann,
sondern religiös ist. Durch ihre reduktionistische Tendenz wurde
offensichtlich, dass Apotheose und Autonomie des Denkens Relationen nicht
einzuordnen vermögen. Folglich ist Apotheose eine Folge der Rebellion gegen
Gottes souveräne Ordnung. In seiner transzendentalen Herzensausrichtung
(Glaube/Grundüberzeugung), transzendiert das Geschöpf (im Bewusstsein/nicht
faktisch) die zeitliche Sphäre und schafft durch die Glaubensfunktion die
Synthese aus dem logischen und den nicht-logischen Aspekten, gemäß seines
Grundmotivs (In Adam oder in Christus) und in Antwort auf Gottes Gesetz, immer
in Gehorsam oder Ungehorsam Gott gegenüber. Bezogen auf die transzendentale
Idee der Ganzheit ist damit gesagt, dass nicht
die logische Funktion (im Westen vorherrschende Position) für die Synthese der
Subjekt-Objekt-Beziehung zuständig ist, sondern die Glaubensfunktion, weil sie
die Höchste und somit Leitungsfunktion in der Skala der menschlichen Funktionen
trägt, so Vollenhoven:
“When
I thus consider faith the highest function in human existence, two things are
implied: on the one hand that believing is only a function, and on the other
hand that believing is the most important in the scala of functions.”[12]
Weiter
beschreibt er die Funktion und Struktur des Glaubens, in einleuchtender Übereinstimmung
zu der bisher erarbeiteten, reformatorischen Ontologie:
“First:
believing is only functional. That is to say: faith is not identical with
heart, but is determined by the heart in its direction towards good or evil,
i.e. in obedience to the law of love or not. In other words: the whole man is
religious, and his life is a walk before the face of God in obedience or
disobedience.”[13]
Zusammengefasst
sei also festgehalten, dass die Glaubensfunktion zeitlich ist und die
Ganzheitsschau erst ermöglicht. Dessen Ausrichtung aber, ist transzendental und überzeitlich von
seinem Grundmotiv abhängig und vollzieht sich immer in Gehorsam oder Ungehorsam
gegenüber Gottes souveränen Ordnungen. Zum Abschluss sei erneut betont, dass
Gottes Ordnungen (Gesetz) weiterhin Bestand haben, egal ob sich das Geschöpf über
Gott erheben will oder nicht, wie Stoker betont:
„…God as absolute sovereign Legislator and Sovereign has given the law
for all the cosmos, with no exception;… the law may neither be absolutised nor
subjectivised; the law (or cosmic-order) of God constitues a distinctive
boundary between God and the cosmos (matter, plant, animal and human being)
that cannot be (factually) transcended by the cosmos (including the human
being); … there is a coherent diversity of laws;… the law (or cosmic-order)
applies to the cosmos, and it constantly applies, even when human beings
transgress the (normative) cosmic-order…”[14]
8 Nachwort
Durch
den erarbeiteten Versuch einer reformatorischen Konfrontation mit der Apotheose
aufgrund von transzendentalen Denkstrukturen, wurde die Apotheose als eine
existentielle Auflehnung gegen die Souveränität Gottes entlarvt, die aber
konstitutiv von derselben abhängig ist und somit parasitischem und
selbstwidersprüchlichem Charakter nachweist. Die reformatorische Philosophie
und Theologie dagegen, bietet eine
integrale Alternative an, die sowohl konstitutiv wie existentiell sinnvoll ist.
Aber die Verknüpfung zwischen Theologie, Philosophie und Realität ist viel
dynamischer als jede theoretische (wissenschaftliche) Abhandlung sein kann. Ziel
jeder theoretischen Auseinandersetzung muss Gottes Ehre bleiben. Praktisch bedeutet
dies für uns, dass nicht die Logik (Apotheose/Die Weisheit der Griechen)
sondern Christi Kreuz das letzte Wort haben muss, wenn wir uns unter Gottes
Gesetz und Wille stellen wollen (Gottesfurcht/Die Weisheit Gottes). Dies
betonte Mekkes im Zuge einer Abhandlung über die Grenzen der zeitlichen
Existenz, zu Recht und indirekt als Antwort auf
reaktionäre Missdeutungen der reformatorischen Philosophie:
„…Man should not seek norms
and qualification of culture and its concrete results in some transcendent
sphere that is not understood from the concrete cross of the Master. It is true
that the letter to the Colossians teaches clearly that Christ has gained the
victory over all the powers that exist, including those that oppose Him, but He
did so by the cross... World
history is shown its destination by His cross and suffering. The course of
history is determined by this center. It is up to the “disciples” left behind
to announce to the world the meaning of its history, in order that it joins
with them behind Him who is no longer in the world.
In the meantime, they are
in the world. To them He has shown His resurrection and victory. He has also
promised these to them. But they themselves are not beyond what “remains” of
his cross. This is what they
have to take upon themselves, as they follow Him…”[15]
9 Bibliographie
Calvin,
Johannes, Institutio Christianae Religionis. Neukirchen-Vluyn [Neukirchener Verlagsgesellschaft
mbH] 2008.
Dooyeweerd, Introduction To A Transcendental Criticism
of Philosophic Thought, In: www.reformationalpublishingproject.com
[abgerufen am 21.09.2012].
Dooyeweerd,
Herman, No crepúsculo do pensamento ocidental, Editora Hagnos, Sao Paulo,
Brasil, 2010.
Dooyeweerd,
Herman, Roots of Western Culture, Pagan, Secular and Christian Options, Wedge
Publishing Foundation, Toronto, Canada, 1979.
Stoker,
Hendrik G., Philosophy of The Creation Idea, Translation of Oorsprong en Rigting, Volume II, Section 6, Tafelberg:
Cape Town (p.202-331), Potchefstroom, South Africa, 2010.
Marlet S.J., Michael Fr. J., Grundlinien der
kalvinistischen Philosophie der Gesetzesidee als christlicher
Transzendentalphilosophie, Karl Zink Verlag, München, 1954.
Mekkes,
Johan, Creation Revelation and Philosophy, Dordt College Press, United States
of America, 2010.
Vollenhoven,
Dirk H.T., Introduction to Philosophy, Dordt College Press, United States of
America, 2005.
Vollenhoven,
Dirk H.T., Faith – Its Nature
and Structure and its Significance for Science, In: www.reformationalpublishingproject.com
[abgerufen am 21.09.2012]
[1] Anmerkung des Autors: Es ist auch sinnvoll, in vorsichtiger Weise von
den drei Gestalten des Wortes Gottes zu reden (1) Das Wort des Gesetzes
(Schöpfungsordnungen), (2) Das inkarnierte Wort (Jesus Christus) und (3) das
inspirierte Wort Gottes (Hl. Schrift). Vorsicht ist geboten, weil die die Hl.
Schrift bei der Übermittlung der biblischen Botschaft Vorrangstellung genießt.
Zum Thema Hl. Schrift im integralen Sinne, sei das Werk von H. Ridderbos über
die Theologie des Paulus erwähnt.
[2] Dooyeweerd, Herman, No crepúsculo do pensamento
ocidental, Editora Hagnos, Sao Paulo,Brasil, 2010, S.104.
[3] Calvin, Johannes, Institutio
Christianae Religionis. Neukirchen-Vluyn [Neukirchener
Verlagsgesellschaft mbH] 2008,, S.19.
[4] Dooyeweerd, Herman, Roots of
Western Culture, Pagan, Secular and Christian Options, Wedge Publishing
Foundation, Toronto, Canada, 1979, S.104.
[5] Dooyeweerd, Herman, Introduction To
A Transcendental Criticism of Philosophic Thought, S,2-5, In: www.reformationalpublishingproject.com
[7] Vgl. Marlet S.J., Michael Fr. J., Grundlinien der
kalvinistischen Philosophie der Gesetzesidee als christlicher
Transzendentalphilosophie, Karl Zink Verlag, München, 1954,
S.38-39
[8] Ebd. S.49-50.
[9] Dooyeweerd, Herman, Introduction To A
Transcendental Criticismof Philosophic Thought, S,2, In:
www.reformationalpublishingproject.com
[11]Vgl. Marlet S.J., Michael Fr. J., Grundlinien der
kalvinistischen Philosophie der Gesetzesidee, S.42.
[12] Vollenhoven, H.T. Dirk, Faith – Its Nature and Structure
and its Significance for Science, S.2, In: www.reformationalpublishingproject.com
[14] Stoker, Hendrik G., Philosophy of The Creation Idea,
Translation of Oorsprong en Rigting,
Volume II, Section 6, Tafelberg: Cape Town (p.202-331), Potchefstroom, South
Africa, 2010, S.39.
[15] Mekkes, Johan, Creation Revelation
and Philosophy, S. 71-72.
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